Donnerstag, 15. November 2018

Leerlauf


Ich weiß nicht was los ist, ich verstehe mich selbst absolut nicht mehr.
Ich habe vor über einem Monat mit meinem Freund Schluss gemacht, nachdem ich erfahren habe, dass er mich vor einem Jahr betrogen hat.
Es war erleichternd und schmerzhaft zugleich, die Wochen darauf bin ich sehr oft sehr lange ausgegangen und habe engeren Kontakt mit einem Typen, den ich davor nur flüchtig kannte, aufgebaut.
Es waren sehr witzige, lange, alkoholisierte und bekiffte Nächte, die mir geholfen haben, nicht direkt in ein schwarzes Loch zu fallen.
Dann begann die Uni und ich war genau 4 Tage dort und habe dann aufgehört dahin zu fahren. Unter Anderem lag es auch an dem über 4 Stunden langen Weg Hin und Zurück.
Doch alles auf die lange Fahrzeit zu schieben wäre zu leicht und zu oberflächlich. Ich konnte da ziemlich schnell Kontakte knüpfen und habe mich echt wohl gefühlt.
Bei manchen hatte ich sogar das Gefühl, dass daraus super schöne Freundschaften entstehen könnten.
Und jetzt sitze ich hier bei dem Typen und war seit über 2-3 Wochen nicht mehr in der Uni.
Ich kann mich absolut nicht motivieren und will nicht dahin fahren. Ich will einfach momentan nicht in die Uni. Rein physisch bin ich absolut in der Lage, es hat nichts mit nicht können zu tun.
Ich weiß aber auch nicht, was ich stattdessen will.
Ich weiß gar nichts mehr. Ich möchte momentan einfach ausbrechen, wüsste aber nicht wohin.
Ich möchte zu meiner Schwester, weiß aber, dass es eher die Idee meiner früheren Schwester ist, nach der ich Sehnsucht habe.
Ich möchte nicht mehr auf fremden Sofas schlafen. Auf fremden Kissen.
Letzten Monat habe ich meine Wohnung gekündigt und jetzt bin ich offiziell obdachlos.

Sonntag, 5. August 2018

Kraft

Immer wenn ich vor einer für mich zuerst scheinbar aussichtslosen Situation stehe und das Gefühl habe, ich könnte es nicht überstehen oder schaffen, sage ich mir immer wieder, dass ich, nachdem ich es schaffe, stärker sein werde und mir die Aufgaben in der Zukunft nicht mehr so verdammt schwer fallen werden.
Ich weiß gar nicht, wie oft ich mir das jetzt so gesagt habe. Und trotzdem habe ich immer noch Angst und Panik. Fühle mich kraftlos und antriebslos.
Immer wenn ich glaube einen Schritt weiter zu kommen, sehe ich immer wieder diesen riesigen Haufen an Arbeit vor mir, der mich droht zu ersticken und wogegen ich mich so machtlos und klein fühle.
Wird es denn je einfacher? Werde ich je aufhören das Gefühl zu haben, dass ich mich im Kreis drehe?
Wenn ich mir vorstelle, dass mein Leben in 10 oder gar in nur 5 Jahren genauso aussehen soll wie heute, dann kriege ich keine Luft. So ein Leben möchte ich nicht leben. Aber um das umgehen zu können, muss ich immer wieder dadurch gehen.und immer wieder kämpfen. Aber wie viel kann ich tragen? Wenn ich nie wirklich eine Belohnung für meine Mühen bekomme? Wenn ich nie das Gefühl bekomme, dass es sich gelohnt hat und ich richtig gehandelt habe, sondern immer wieder vor Schwierigkeiten gestellt werde?

Sonntag, 22. Juli 2018

Zerrissen

Ich fühle mich so zerrissen.
ich war die letzte Woche bei meinem Freund in der Stadt, in der er lebt und studiert.
Das alles war eine spontane Entscheidung und hatte und konnte mich nicht darauf vorbereitet und vorbereiten.
Und dann direkt nach meiner Ankunft in der ersten Nacht fing er an mich zu küssen und wollte intim werden.
Und in mir drin schrie alles, dass das falsch ist. Ich wollte nicht und das sagte ich ihm und er akzeptierte es. Er meinte aber danach, dass wir nicht mehr so oft intim wurden in den letzten Monaten, was auch stimmt. Ich sage oft nein, weil mir nicht danach ist. Und wenn dann nach einem Vorspiel und es geht meistens von ihm aus.
Und in dieser ersten Nacht, nach seinem Revue passieren lassen, wurde mir das so bewusst, dass ich die ganze Zeit versucht hatte, diese Beobachtung und Gedanken zu unterdrücken.
Und die Stimme in meinem Kopf sagte immer und immer und immer wieder, dass ich ihn liebe, aber nicht auf diese Art. Dass ich ihn liebe, aber nicht körperlich. Er ist ein Teil von mir, fast sie Familie, die Art der seelischen Intimität.
Und ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Ich weiß selbst nicht, ob es an meiner Pille liegt, die ich nehme? Oder ob diese Gedankengänge die Wahrheit sind? Denn wenn ich an ihn denke, dann weiß ich, dass ich will, dass er sicher ist, gesund und glücklich.
Ich tue mich so schwer das alles zu deuten. Denn dies ist meine erste Beziehung, die jetzt seit knapp 4 Jahren geht. Und ich kann nicht anders als auch daran zu denken, dass ich Dinge verpasste und dass ich keinerlei Vergleiche habe, um zu wissen, was ich für ihn empfinde? Ich kann die Unterschiede zu meinen Gefühlen zu ihm und meinem jüngeren Bruder nicht herauskristallisieren. Naja, außer die körperliche Intimität.
Es ist schwierig, dass alles zu schreiben und darüber nachzudenken, wenn ich das Ganze eigentlich lieber verschließen möchte. Ich möchte es so so so so so gerne ganz tief in mir drin verschließen.... aber ist das nicht eigentlich genau ein Zeichen dafür, dass ich mich damit beschäftigen sollte?
Manchmal vergesse ich, dass ich in einer Beziehung bin. Ich flirte gerne, nicht viel und nicht direkt, aber so ab und zu ein wenig ohne weiter als ein Gespräch zu gehen. Und ich werde bei Kontakt mit gewissen Menschen nervös, als wäre es eine Option mit ihnen zusammen zu kommen oder ein Date zu haben.
Und wieso vergesse ich, dass ich in einer Beziehung bin? Weil ich es nicht als Liebesbeziehung in dem Sinne sehe??
Ich weiß es nicht. Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Denn in ein bis zwei Monaten werde ich umziehen und ein Studium beginnen. Und ich sollte mich entscheiden und wissen, was ich wirklich möchte.

Montag, 9. Juli 2018

zweite rolle

An einem Punkt vor einiger Zeit habe ich realisiert, dass sie immer meine erste Wahl war. Mir kamen Momente in den Sinn, in denen ich mich selbst zurückstellte und mich von ihr einnehmen ließ.
Sie lebt in Extremen. Sie ist wild und unabhängig und tut. Sie tut Dinge, auch wenn sie sich der negativen Konsequenzen bewusst ist.
Ich habe ihre Art zu leben immer beneidet. Ich war fasziniert und beeindruckt. Sie war immer so eine starke Persönlichkeit für mich und ich wollte so sein wie sie. Ihre Geschichten und Erzählungen waren wie ein spannender Film für mich und ich fühlte mich so geehrt, dass ich ein Teil davon sein durfte, dass sie mich als Auserwählte an sich heran ließ und mir ihre Geheimnisse und Gefühle anvertraute.
Ich sah zu ihr auf und eiferte ihr nach. Ich sagte zu allem ja, ich wollte genauso leben. Ich wollte das alles auch erleben.
Und so kamen wir uns immer näher.
Während ich mit 16 meinen ersten Kuss hatte, erzählte sie mit 15 von ihrem ersten Mal.
Ich bekam die Diagnose Depression und sie wurde eingewiesen in eine Klinik und hatte Borderline.
Ich begann eine komplizierte Beziehung voller Zweifel und sie wickelte alle Jungs um ihre Finger, ließ niemanden von Haken und beschreibt sich selbst als Syräne (als ein Meerjungfrau-ähnliches Wesen, das Seemännee mit ihrem Gesang hypnotisierte und ins Meer zog).
Sie war immer schneller, weiter, höher, extremer. Und das wusste sie.
Lange lange Zeit habe ich mich wie eine zweite unwichtige Hauptrolle in meinem eigenen Leben gefühlt.
Wenn ich krank wurde oder mich zurückzog, weil ich verletzt war, drehte sie den Spieß um und ich fühlte mich schuldig. Dieses schlechte Gewissen für mein Verhalten und meine vermeintlichen Fehler wurde zu einem roten Faden in unserer Freundschaft.
Sie war auffällig. Hatte bunte, rasierte Haare. Ein starkes Auftreten. Alle Augen waren immer auf sie gerichtet und sie suhlte sich in der Aufmerksamkeit.
Sie war einfach die perfekte Freundin, die Loyalität hochpreiste und neben der ich mich besonders fühlte.
Ich besuchte sie, wenn sie krank war und kochte ihr Suppe. Ich versuchte ihr damals all das zu geben, das sie bei anderen Freunden misste. Ich gab ihr all das, was ihr ihre anderen Freunde nicht gaben, ich gab ihr all das, wovon ich dachte, würde mich zur perfekten Freundin an ihrer Seite machen.
Und es gelang. Wir hatten so eine.unbeschreiblich außergewöhnliche extreme Zeit zusammen. Wir haben zusammen Dinge in zwei Jahren erlebt, die die meisten Menschen.nicht nach 10 Jahren Freundschaft erlebten.
Ich weiß gar nicht, wann der Punkt kam, an dem ich realisierte, dass ich mich so nach ihr richtete. Dass sie und ihr Leiden mich so einnahmen, dass ich mich selbst und meine Probleme als unwichter wertete.
Einmal sagte jemand in einem Film: “Ich sah immer zu ihr auf, was aber nur bedeutet, dass sie auf mich herabsah“. Und ich will nicht leugnen, dass ich für sie ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens wurde und sie mich wertschätzt, doch dieser Satz lässt mich nicht in Ruhe.
Mir fallen immer mehr Situationen in der Vergangenheit ein, in denen ich mich sehr schuldig gefühlt hatte wegen etwas, das eigentlich gar nicht meine Schuld war.
Mir fallen Sätze ein, bei denen ich mir jetzt bewusst werde, wie verunsichernd sie damals für mich waren.
Ich erinnere mich daran, dass ich ihr von meinem aller ersten Kuss berichtete und total außer mir war, da ich damals noch extrem schüchtern war und so eine Sache ja immer sehr aufregend war. Und nach einer langen detaillierten Erzählung merkte ich, wie ihre Begeisterung abfiel, als sich am Ende herausstellte, dass es nichts mehr als ein Kuss auf, worauf ich so lange hingearbeitet hatte mit meinem Bericht. Und aus der Verunsicherung heraus entschuldigte ich mich und meinte, dass ich jetzt alles wirklich zu detailliert erzählt hatte und sie stimmte mir zu und berichtete im nächsten Atemzug dann von ihren ersten Mal, was natürlich eine viel größere und spannendere Sache war. Aber nein, sie erzählte nicht wild drauf los wie eine Jungfrau, sondern nahm es ganz cool und gab nur wenig Information darüber Preis.
Ich erinnere mich, dass wir letztes Jahr spontan abends ausgingen und ich mich aus Lust und Laune heraus ein bisschen herausgeputzt hatte. Und das erste Mal seit Beginn der Freundschaft hatte ich an diesem Abend ungewohnt mehr Aufmerksamkeit als sie erhalten.
In Nachhinein meinte ich begeistert, dass der Abend total Spaß gemacht hatte, worauf sie meinte, dass es vielleicht für mich lustig und nett war, für sie jedoch langweilig, was unter anderem daran lag, dass ich mich viel mit einem Typen unterhalten hatte und sie für 10 Min kein Teil des Gespräches war.

Sie meinte irgendwann mal, dass sie keine Geschenke mehr für irgendjemanden kaufen wollte an Geburtstagen, weil es immer mit einer Erwartungshaltung verbunden war und es sie nur stresste. Sie meinte auch, das sie keine Geschenke mehr erwarte und das war die Wahrheit. Dennoch war ich eine Person, die gerne eine kleine Aufmerksamkeit schenken wollte... einfach so.
Deshalb brachte ich ihr dennoch an ihrem Geburtstag entweder ein kleines Geschenk oder ließ ihr eine Rose da, wenn wir uns an dem Tag mal nicht treffen konnten.
Ich habe seitdem kein Geschenk mehr von ihr erhalten. Obwohl ich mir andauernd anhörte, welche Dinge sie für den Geburtstag ihres Freundes plante.

Ich lebe außerdem seit 1 1/2 Jahren nun alleine. Es ist meine erste eigene Wohnung, meine ersten Schritte in die Selbstständigkeit und in diesen 1 1/2 Jahren war sie einmal zur Einweihungsfeier da und einmal zum Kuchen backen.. für 3h.
Als ich sie darauf ansprach, dass ich das wirklich sehr schade finde und dass es mir sehr wichtig wäre und mir viel bedeuten würde, dass sie auch mal vorbeikäme, meinte sie, dass es absolut keine Absicht war und sie mich gerne besuchen würde und es bisher einfach praktischer war sich bei ihr zu treffen, da sie zentraler wohnte als ich.
Als sie mir das so sagte, war es total legitim für mich, doch ich war einfach wieder in ihrem Bann. Ihr Freund wohnte bis vor zwei Monaten noch 2 Min von meiner Wohnung entfernt und ich bekam mit, dass sie mindestens alle zwei Wochen dort übernachtete oder einmal die Woche zumindest von Früh bis Spät dort verbrachte.
Und das verletzt mich. Klar, dass ein Freund einen anderen Stellenwert hat, doch ich konnte nicht verstehen, wieso ihre Besuche nie zustande kommen wollten.

Jetzt vor einigen Wochen waren wir zu dritt des öfteren mal abends unterwegs und es endete immer auf dieselbe Weise. Eine von den beiden bekam aus irgendeinem Grund schlechte Stimmung, ich bemerkte jedes Mal, wie sie sich etwas zuflüsterten und dann beschlossen zu gehen.
Und was sollte ich komplett allein in einer Bar oder auf einem fremden Geburtstag tun? Also ging ich immer mit.
Das letzte Treffen, das so endete, machte mich rasend vor Wut und das zeigte ich durch Distanz und Ignorieren. Ich hasste es, dass ich so außen vor gelassen wurde und dass es ständig irgendwas gab, das schlechte Stimmung verbreiten musste.
Ich verbrachte den Abend mit zwei anderen Personen, die ich kaum ohne Alkohol aushalten konnte.
Am nächsten Tag war sie wütend auf mich, dass ich so scheinbar grundlos distanziert war und ich fühlte mich schuldig, doch dieses Mal ließ ich mich davon nicht unterkriegen und sagte meine Meinung und widerstand ihrem unbewussten oder bewussten Einfluss auf mich.
Und seitdem waren wir abends auch nicht mehr unterwegs.
Wir haben uns jetzt seit einem Monat knapp gar nicht getroffen, da ihr Freund in der Klinik gelandet ist, eine Alkoholabhängkeit aufwies und die Wochenende für ihn reserviert waren, da er dann wieder nach Hause kommen durfte. Und unter der Woche hatte ich kaum Zeit wegen der Arbeit und der Fahrschule.
Ich kann nicht sagen, dass dieser Einfluss auf mich komplett verschwunden ist und ich mich von Schuldgefühlen lösen kann. Ich weiß auch nicht, wie lange diese Freundschaft noch nach diesem Bewusstsein und Realisation noch existieren und funktionieren kann.
Oft hatte ich den Drang die Freundschaft zu beenden, doch ich habe immer noch Angst vor der Person, die ich ohne sie bin. Und was noch von mir übriggeblieben ist. Und ob ich je wieder eine Freundin finden kann.
Aber ich bin weiter als vorher. Und dieses Wissen gibt mir Sicherheit. Und wer weiß was noch alles passieren wird.

brodeln

ich bin psychisch nicht mehr dort, wo ich vor einigen Monaten noch war.
ich bekomme vieles besser auf die Reihe, lerne, mich um mich zu kümmern, gewissenhaft und zuverlässig zu arbeiten und ansonsten auch relativ produktiv zu bleiben.
dennoch kann ich nicht leugnen, dass ich des öfteren diese aufkommende Welle in mir drin spüre. vor einigen Jahren begannen meine depressiven Gedanken, sobald ich alleine war und besonders abends, wenn ich nur noch vorhatte ins Bett zu gehen. Bald darauf hatte ich schon an Nachmittagen Gedanken, die ich eigentlich abends erst erwartete.
in meinen dunkelsten Zeiten begannen diese Gedanken und Gefühle schon direkt nach dem Aufstehen an, auf mich einzustürzen.
Und jetzt kann ich es gar nicht mehr einschätzen. Die Zeiten, in denen es mir besser geht, werden länger, dafür ist da öfter mal ein konstantes Brodeln in mir drin, was dann auch von morgens bis abends anhält. Ich verfalle zwar nicht mehr in eine tiefe Krise und werfe mich dramatisch nach links und rechts, doch dieses Brodeln empfinde ich als so unangenehm, dass ich mir nicht überlege, ob ein Zusammenbruch und anschließend die Heilung davon nicht angenehmer wäre.
Es fühlt sich so an, als wäre ich kurz davor zusammenzubrechen. Kurz davor zu weinen oder zu schreien. Und das dann für mehrere Stunden.
und es gibt keinen Auslöser. Vorher hätte ich einige Ereignisse im Laufe meines Tages nennen können, aber jetzt? Ich wache mit einem unguten Gefühl auf und verdränge es dann normalerweise, gehe zur Arbeit und dann wieder nach Hause. Auf der Arbeit kann ich dieses Brodeln in mir ziemlich gut verdrängen... im Normalfall, aber heute ist einer der Tage, an dem sich das Brodeln anfühlt wie ein Magenschmerz und sich anhört wie ein anhaltendes Schreien.
Und egal wie sehr ich mich dann auch auf meine Kollegen zu konzentrieren versuche... es hört nicht auf.
Und dann spüre ich das Verlangen nach alten Gewohnheiten. Und es ist wieder dieser schmale Grad da zwischen die Kontrolle behalten und zu verlieren.
Und ich weiß nicht, wie lange dieser Zustand noch anhalten wird. Ob ich irgendwann auch mal ein gesünderes Verhältnis zu negativen Gedanken und Gefühlen aufbauen kann, woran ich momentan wirklich arbeite. Doch manchmal ist das Brodeln doch zu laut und manchmal muss man den Schmerz, der wellenartig kommt, einfach spüren und kommen lassen, ohne sich selbst zu verletzten.

Mittwoch, 4. Juli 2018

erinnerungen

Ich weiß nicht, wer ich bin.
Mein Leben bestand bisher darin, dass ich zwar viele Freiheiten hatte, die jedoch mit dem Vorschreiten meines Alters immer geringer wurden. Die letzten zwei Jahre zu Hause hatte ich das Gefühl mich selbst immer mehr zu verlieren.
Ich denke manchmal zurück und Erinnerungen kommen hoch, die ich schon so lange vergessen hatte.
Ich erinnere mich daran, wie ich mich für jeden einzelnen Schritt und Entscheidung in meinem Leben rechtfertigen musste. Ich erinnere mich, wie ich rastlos auf meinem Bett saß und in die Leere starrte und das Gefühl hatte, nicht atmen zu können. Dass ich anhand der Lautstärke der Schritte meines großen Bruders wusste, ob und wie wütend er war.
Ich erinnere mich an den Moment, als ich neben meinem Bruder saß und mir seine Standpauke und Geschrei anhörte und mit einem Schlag komplett weg war und nur ganz weit weg in einem dichten Nebel mitbekam, wie er mich schüttelte und panisch meine Mutter rief und nicht verstand, was gerade passierte.
Ich erinnere mich an den ersten Abend, an dem meine Mutter für einen ganzen Monat nicht zu Hause war und mein Bruder und und stritten und er mich auf dem Boden schubste und meinen Kopf gegen den Schrank schlug. Ich hatte keinerlei physische Wunden nach dieser Nacht. Und nach dem 3 stündigem Gespräch anschließend, das daraus bestand, dass ich benommen und starr vor Angst war und mir seine Rede anhörte, war ich gebrochen. In den Monaten danach war ich nicht mehr existent. Ich erinnere mich daran, dass ich mich selbst ganz tief in mir drin verschlossen hatte und eine Person an die Oberfläche ließ, die mich durch den Tag brachte. Ich war meinem Bruder näher als je zuvor, von Außen betrachtet und ich war leerer als ich mir je hätte vorstellen können.
Ich erinnere mich nicht mehr an den Moment, doch ich weiß, dass ich nach den ersten heftigen Streitereien aufgehört hatte, zu meiner Mutter zu laufen und bei ihr Schutz zu suchen. Ich hatte viel zu oft diesen ohnmächtigen Blick in ihren Augen gesehen. Ich wurde viel zu oft angegriffen und dennoch getroffen, während ich bei ihr Hilfe suchte. Und dann hatte ich angefangen in mein Zimmer zu rennen.und abzuschließen. Mit der Angst und Gewissheit, dass dadurch alles nur verschlimmerte.
Ich erinnere mich daran, wie ich anfing, mir die Ohren zuzuhalten, Musik zu hören und schluchtend zu kreischen, während ixh trotz des Dröhnens in meinen Ohren.das Hämmern an meiner Zimmertür hörte.
Ich erinnere mich daran, dass ich viel Zeit in Dunkelheit und im Nebel verbrachte damals.

Donnerstag, 7. Juni 2018

gewohnheiten

ich habe vor 1 1/2 Jahren angefangen zu rauchen. und ständig wird nach dem Grund gefragt.
"Warum rauchst du? "
Und da ich frage zrück: "Warum nicht?"
Und dann kommen die Antworten: "Geldverschwendung" und "ungesund".
und darüber muss ich meistens einfach nur lächeln.

Und vor einem Jahr um diese Zeit habe ich angefangen, Alkohol zu trinken. Und nein, damit ist nicht der Alkohol gemeint, den Menschen auf Partys konsumieren.
Ich habe Wochenenden hintereinander allein mit Alkohol verbracht, habe getrunken und Musik gehört und viel geweint und im Endeffekt auch viel gekotzt, wozu ich sagen sollte, dass ich nie während der Zeit davor, nicht mal auf Partys, je an dem Punkt angekommen war, dass ich mich übergeben musste.
Und nach diesen Wochenenden habe ich wieder aufgehört und erst wieder im März vor drei Monaten angefangen.
Ich saß abends in meiner Dusche, habe viel getrunken, viel geraucht und Musik gehört, jedoch geschah dies immer unter der Woche, sodass ich am nächsten Tag früh raus musste, um zu arbeiten.

Und jetzt merke ich, dass ich immer noch das Verlangen habe, an diesen Punkt zu gelangen.
Vor drei Monaten noch ging es mir sehr sehr schlecht, ich wusste nicht wohin mit den ganzen Gefühlen und Gedanken. Und ich dachte mir, wenn ich es schon nicht aushalten oder rauslassen konnte wie ich es brauchte, könnte ich wenigsten etwas betrunkener und angeheiterter dabei sein.

Da kommen wir auch zum nächsten Punkt. Viele Menschen kennen das vielleicht, die eine psychische Erkrankung haben.
Es ist schwierig loszulassen. Es ist so schwierig sich ohne die Krankheit zu definieren, sich neu zu definieren.
Ich merke, dass ich viel weiter bin mittlerweile und auch endlich Aufgaben anpacken kann, vor denen ich vor einiger Zeit noch extreme Panik hatte.
Und doch ist da diese leise Stimme in meinem Kopf, die mich an die dunklere Zeit erinnert und dieses Gefühl, dorthin zurück zu wollen. Vielleicht ist es ein Hauch von Masochismus? Oder Nostalgie? Auch wenn das alles sehr gestört und wahnsinnig klingt.

Und ich kann nicht behaupten, dass ich nicht ab und zu doch mal versuche mich in diesen Zustand zu versetzen. In diesen ganz dunklen und tiefen Gefühlszustand der Trauer, Angst und des Schmerzes.
Aber es ist nicht mehr dasselbe oder ich bin vorsichtiger und gelange nicht mehr so schnell an diesen Punkt?

"Warum nicht?" - ist meine Antwort und die meine ich mit einer ehrlichen Neugierde.
Ich lebe in allen meinen Lebensbereichen extrem sparsam, kaufe nicht mehr an Lebensmitteln ein als nötig und habe oft auch fast gar nichts zu essen da und überbrücke solche Zeiten mit viel Tee, Wasser, Zigaretten und ab und zu Mal Schnorren bei Freunden. Ich kaufe vielleicht ein Mal im Jahr neue Klamotten und die aus Zweiter Hand. Meine einzigen regelmäßigen Ausgaben sind meine Miete und Stromrechnungen.
Also kann ich mich diesen Luxus der modernen Art der Selbstzerstörung doch gönnen?

Und die Gesundheit ist auch ein Thema, das mich fasziniert. Ich bin noch immer nicht an dem Punkt, dass ich mein eigenes Wohlergehen und meine Gesundheit zur Priorität mache. Natürlich ist es besser geworden, was aber nur heißt, dass es vorher irgendwo im Minusbereich lag und mittlerweile vielleicht bei einigen Pluszahlen. Also nichts, das ausreichen würde, mich zu motivieren, etwas mehr für mich und meinen körperlichen Zustand zu tun. Den Geistigen im Moment vielleicht schon eher.

Es ist der schmale Grad zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, der mich fasziniert.
Also warum nicht?

Dienstag, 5. Juni 2018

loslassen

ich denke, ich habe versucht mich umzubringen.
es ist schon einige Zeit her.
doch jetzt gerade erinnerte ich mich aus den Nichts wieder daran.
ich weiß nicht mehr genau, was an dem Abend alles passiert ist. ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt geweint habe.
ich erinnere mich daran, dass ich in meiner Dusche saß, vollkommen eingenommen vom stickigen Zigarettenrauch und all den Papierschnipseln, die ich schon verbrannt hatte.
meine Augen brannten vom Qualm und ich atmete tief ein und aus merkte, dass mir nach einiger Zeit schwindelig wurde.
ich merkte, wie ich nach Stunden in diesem Qualm, der immer dichter wurde, weil ich immer mehr Zettel in meinem kleinen Lagerfeuer verbrannte.
ich erinnere mich, dass ich viel Musik gehört habe, ohne wirklich hinzuhören.
woran ich gedacht habe, weiß ich nicht mehr.
doch irgendwann wurde mein Körper sehr sehr schwer und ich legte mich in die Dusche und schloss meine Augen. und ich weiß nicht mehr, ob meine Übelkeit nur vom Qualm oder vom Alkohol kam.
ich erinnere mich, dass ich in dem Moment losließ. ich war bereit. ich hatte abgeschlossen und war bereit zu gehen.
ich erinnere mich, dass mich in dem Moment eine große Welle der Zufriedenheit einnahm. eine Art der Zufriedenheit, die ich seit Jahren davor nicht mehr gespürt hatte.
es fühlte sich alles richtig an. als hätte ich ein beschissenes Puzzle endlich beendet. ich habe mich so wohl gefühlt. so sicher und geborgen.
und dieser Moment, dieses Gefühl hat sich in mein Gehirn gebrannt.
es war der Moment des Loslassens und Akzeptierens, die mich so zufrieden und friedvoll gemacht hatten.
und jetzt, fast 3 Monate danach, fühlt sich diese Situation so surreal an. und ich habe Angst. ich habe Angst vor der Person, die dort in der Dusche lag und bereit war, alles hinter sich zu lassen.
ich habe es an diesen Abend nicht durchgezogen, doch ich war an der Schwelle und dieses Gefühl hatte mir in dem Moment gereicht. Ich wusste, dass ich es tun konnte, wann immer ich wollte. ich wusste, dass ich es verschieben und dennoch durchziehen konnte, wenn ich wollte.
und das war ein gutes Gefühl. ich hatte die Kontrolle über meinen Kontrollverlust und die Macht, es dann zu tun, wann ich wollte. denn ich wusste, dass ich diesen Schritt gehen konnte und würde.
und jetzt gehe ich weiter. ich bin psychisch nicht mehr dort, wo ich vor 3 Monaten bzw. vor 2 -3 Jahren war.
im März war mein tiefster Punkt. der Abend an dem ich in der Dusche lag und losgelassen hatte. das war mein tiefster Punkt.
"and it´s only after we´ve lost everything that we´re free to do anything" (Fight Club)


liebe anne

Anne,

ich vermisse dich. und du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr.
wenn ich dir in die Augen schaue, sehe ich so viel Traurigkeit, dass mein Herz sich zusammenzieht und ich möchte eigentlich nur dein Gesicht in meine Hände nehmen und deine Stirn und Wangen küssen, bis der Schmerz aus deinen Augen weicht.
Es ist so viel passiert zwischen uns und wir haben uns beide so verändert. und doch, wenn ich deine Hand nehme und sie streichle, fühlt es sich so an als wäre alles noch gleich.
ich möchte eigentlich nur, dass du mir sagst, wie stolz du auf mich bist und dass du mich liebst und immer hinter mir stehst.
bestimmt tust du es, aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als es aus deinem Mund zu hören.
du sagtest zu mir, dass du mich verstehst und sagtest es sei das Richtige, dass ich ausgezogen bin.
ich habe keine Angst mehr vor dir, wie ich es vor einigen Monaten noch hatte.
ich habe keine solche Angst mehr vor deinen Tränen und deinen Schmerz wie vor einem Jahr. Und dennoch kann ich nicht sagen, dass ich nicht jedes Mal meine Tränen unterdrücken muss, sobald du anfängst zu weinen oder wir getrennte Wege nach Hause gehen.
Manchmal denke ich mir, dass ich mir wünschte, das alles wäre niemals passiert und wir würden noch zusammenleben und unseren Alltag miteinander teilen.
doch eine andere Stimme sagt mir, dass es wirklich der einzig richtige Weg war. besonders wenn ich sehe, wie sich die Dinge entwickelt haben.
mein großer Bruder lernt jetzt endlich, sich um sein Leben zu kümmern. vielleicht mehr schlecht als recht in deinen Augen, aber er tut wenigstens irgendetwas, anstatt mir andauernd nachzulaufen und damit beschäftigt zu sein, mich zu schützen und zu kontrollieren.
auch mein kleiner Bruder lernt jetzt seinen eigenen Weg zu gehen.
und ja, es bricht mir mein Herz und bringt mich zu weinen, je mehr ich merke, dass er nicht mehr der ist, der vor einem Jahr noch vor mir stand und dass wir uns auch auseinander entwickeln, doch ist das nicht gut für ihn? Dass er jetzt viel freiere Entscheidungen trifft und erwachsen wird mit all den Fehlern, die man begehen muss und all diesen verzwickten wegen, die er gehen muss?
ich träume davon, dass wir in einigen Monaten noch engeren Kontakt haben, auch wenn wir dann nicht mehr in einer Stadt leben. auch wenn uns einige Kilometer und Stunden voneinander trennen.
ja, das alles mach mir so große Angst, dass ich mich manchmal frage, ob ich das wirklich schaffen kann.
mein Therapeut sagte mir, dass ich die erste in der Familie´bin, die diesen Weg gehen wird ohne wieder kehrt zu machen und zurück in deine Arme zu laufen.
Ich verurteile meine große Schwester für diesen Schritt absolut nicht, Hätte ich in dem letzten Jahr schon angefangen zu studieren mit dem Umzug und der Trennung von dir und der gesamten Familie... ich wüsste nicht, wie mein Studium gelaufen wäre. ob ich nicht auch alles hingeschmissen hätte.
es war gut, dass ich in der Zeit wenigsten beruflich auf dem einfach Weg war und "nur einen Firmenjob" hatte, der mir finanzielle Sicherheit gab und immer noch gibt. es war einfacher, dass meine Arbeit so simpel war, sodass ich nicht auch dort überfordert und gestresst wurde.

ich träume davon, dass wir wieder eine Familie werden. eine ganz andere Art von türkischer Familie. aber anders heißt nicht schlechter und ich wünsche mir so sehr, dass du das auch irgendwann so sehen kannst.

ich liebe dich so sehr. und ich vermisse dich
deine Tochter, H