Donnerstag, 7. Juni 2018

gewohnheiten

ich habe vor 1 1/2 Jahren angefangen zu rauchen. und ständig wird nach dem Grund gefragt.
"Warum rauchst du? "
Und da ich frage zrück: "Warum nicht?"
Und dann kommen die Antworten: "Geldverschwendung" und "ungesund".
und darüber muss ich meistens einfach nur lächeln.

Und vor einem Jahr um diese Zeit habe ich angefangen, Alkohol zu trinken. Und nein, damit ist nicht der Alkohol gemeint, den Menschen auf Partys konsumieren.
Ich habe Wochenenden hintereinander allein mit Alkohol verbracht, habe getrunken und Musik gehört und viel geweint und im Endeffekt auch viel gekotzt, wozu ich sagen sollte, dass ich nie während der Zeit davor, nicht mal auf Partys, je an dem Punkt angekommen war, dass ich mich übergeben musste.
Und nach diesen Wochenenden habe ich wieder aufgehört und erst wieder im März vor drei Monaten angefangen.
Ich saß abends in meiner Dusche, habe viel getrunken, viel geraucht und Musik gehört, jedoch geschah dies immer unter der Woche, sodass ich am nächsten Tag früh raus musste, um zu arbeiten.

Und jetzt merke ich, dass ich immer noch das Verlangen habe, an diesen Punkt zu gelangen.
Vor drei Monaten noch ging es mir sehr sehr schlecht, ich wusste nicht wohin mit den ganzen Gefühlen und Gedanken. Und ich dachte mir, wenn ich es schon nicht aushalten oder rauslassen konnte wie ich es brauchte, könnte ich wenigsten etwas betrunkener und angeheiterter dabei sein.

Da kommen wir auch zum nächsten Punkt. Viele Menschen kennen das vielleicht, die eine psychische Erkrankung haben.
Es ist schwierig loszulassen. Es ist so schwierig sich ohne die Krankheit zu definieren, sich neu zu definieren.
Ich merke, dass ich viel weiter bin mittlerweile und auch endlich Aufgaben anpacken kann, vor denen ich vor einiger Zeit noch extreme Panik hatte.
Und doch ist da diese leise Stimme in meinem Kopf, die mich an die dunklere Zeit erinnert und dieses Gefühl, dorthin zurück zu wollen. Vielleicht ist es ein Hauch von Masochismus? Oder Nostalgie? Auch wenn das alles sehr gestört und wahnsinnig klingt.

Und ich kann nicht behaupten, dass ich nicht ab und zu doch mal versuche mich in diesen Zustand zu versetzen. In diesen ganz dunklen und tiefen Gefühlszustand der Trauer, Angst und des Schmerzes.
Aber es ist nicht mehr dasselbe oder ich bin vorsichtiger und gelange nicht mehr so schnell an diesen Punkt?

"Warum nicht?" - ist meine Antwort und die meine ich mit einer ehrlichen Neugierde.
Ich lebe in allen meinen Lebensbereichen extrem sparsam, kaufe nicht mehr an Lebensmitteln ein als nötig und habe oft auch fast gar nichts zu essen da und überbrücke solche Zeiten mit viel Tee, Wasser, Zigaretten und ab und zu Mal Schnorren bei Freunden. Ich kaufe vielleicht ein Mal im Jahr neue Klamotten und die aus Zweiter Hand. Meine einzigen regelmäßigen Ausgaben sind meine Miete und Stromrechnungen.
Also kann ich mich diesen Luxus der modernen Art der Selbstzerstörung doch gönnen?

Und die Gesundheit ist auch ein Thema, das mich fasziniert. Ich bin noch immer nicht an dem Punkt, dass ich mein eigenes Wohlergehen und meine Gesundheit zur Priorität mache. Natürlich ist es besser geworden, was aber nur heißt, dass es vorher irgendwo im Minusbereich lag und mittlerweile vielleicht bei einigen Pluszahlen. Also nichts, das ausreichen würde, mich zu motivieren, etwas mehr für mich und meinen körperlichen Zustand zu tun. Den Geistigen im Moment vielleicht schon eher.

Es ist der schmale Grad zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, der mich fasziniert.
Also warum nicht?

Dienstag, 5. Juni 2018

loslassen

ich denke, ich habe versucht mich umzubringen.
es ist schon einige Zeit her.
doch jetzt gerade erinnerte ich mich aus den Nichts wieder daran.
ich weiß nicht mehr genau, was an dem Abend alles passiert ist. ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt geweint habe.
ich erinnere mich daran, dass ich in meiner Dusche saß, vollkommen eingenommen vom stickigen Zigarettenrauch und all den Papierschnipseln, die ich schon verbrannt hatte.
meine Augen brannten vom Qualm und ich atmete tief ein und aus merkte, dass mir nach einiger Zeit schwindelig wurde.
ich merkte, wie ich nach Stunden in diesem Qualm, der immer dichter wurde, weil ich immer mehr Zettel in meinem kleinen Lagerfeuer verbrannte.
ich erinnere mich, dass ich viel Musik gehört habe, ohne wirklich hinzuhören.
woran ich gedacht habe, weiß ich nicht mehr.
doch irgendwann wurde mein Körper sehr sehr schwer und ich legte mich in die Dusche und schloss meine Augen. und ich weiß nicht mehr, ob meine Übelkeit nur vom Qualm oder vom Alkohol kam.
ich erinnere mich, dass ich in dem Moment losließ. ich war bereit. ich hatte abgeschlossen und war bereit zu gehen.
ich erinnere mich, dass mich in dem Moment eine große Welle der Zufriedenheit einnahm. eine Art der Zufriedenheit, die ich seit Jahren davor nicht mehr gespürt hatte.
es fühlte sich alles richtig an. als hätte ich ein beschissenes Puzzle endlich beendet. ich habe mich so wohl gefühlt. so sicher und geborgen.
und dieser Moment, dieses Gefühl hat sich in mein Gehirn gebrannt.
es war der Moment des Loslassens und Akzeptierens, die mich so zufrieden und friedvoll gemacht hatten.
und jetzt, fast 3 Monate danach, fühlt sich diese Situation so surreal an. und ich habe Angst. ich habe Angst vor der Person, die dort in der Dusche lag und bereit war, alles hinter sich zu lassen.
ich habe es an diesen Abend nicht durchgezogen, doch ich war an der Schwelle und dieses Gefühl hatte mir in dem Moment gereicht. Ich wusste, dass ich es tun konnte, wann immer ich wollte. ich wusste, dass ich es verschieben und dennoch durchziehen konnte, wenn ich wollte.
und das war ein gutes Gefühl. ich hatte die Kontrolle über meinen Kontrollverlust und die Macht, es dann zu tun, wann ich wollte. denn ich wusste, dass ich diesen Schritt gehen konnte und würde.
und jetzt gehe ich weiter. ich bin psychisch nicht mehr dort, wo ich vor 3 Monaten bzw. vor 2 -3 Jahren war.
im März war mein tiefster Punkt. der Abend an dem ich in der Dusche lag und losgelassen hatte. das war mein tiefster Punkt.
"and it´s only after we´ve lost everything that we´re free to do anything" (Fight Club)


liebe anne

Anne,

ich vermisse dich. und du kannst dir gar nicht vorstellen wie sehr.
wenn ich dir in die Augen schaue, sehe ich so viel Traurigkeit, dass mein Herz sich zusammenzieht und ich möchte eigentlich nur dein Gesicht in meine Hände nehmen und deine Stirn und Wangen küssen, bis der Schmerz aus deinen Augen weicht.
Es ist so viel passiert zwischen uns und wir haben uns beide so verändert. und doch, wenn ich deine Hand nehme und sie streichle, fühlt es sich so an als wäre alles noch gleich.
ich möchte eigentlich nur, dass du mir sagst, wie stolz du auf mich bist und dass du mich liebst und immer hinter mir stehst.
bestimmt tust du es, aber ich wünsche mir nichts sehnlicher, als es aus deinem Mund zu hören.
du sagtest zu mir, dass du mich verstehst und sagtest es sei das Richtige, dass ich ausgezogen bin.
ich habe keine Angst mehr vor dir, wie ich es vor einigen Monaten noch hatte.
ich habe keine solche Angst mehr vor deinen Tränen und deinen Schmerz wie vor einem Jahr. Und dennoch kann ich nicht sagen, dass ich nicht jedes Mal meine Tränen unterdrücken muss, sobald du anfängst zu weinen oder wir getrennte Wege nach Hause gehen.
Manchmal denke ich mir, dass ich mir wünschte, das alles wäre niemals passiert und wir würden noch zusammenleben und unseren Alltag miteinander teilen.
doch eine andere Stimme sagt mir, dass es wirklich der einzig richtige Weg war. besonders wenn ich sehe, wie sich die Dinge entwickelt haben.
mein großer Bruder lernt jetzt endlich, sich um sein Leben zu kümmern. vielleicht mehr schlecht als recht in deinen Augen, aber er tut wenigstens irgendetwas, anstatt mir andauernd nachzulaufen und damit beschäftigt zu sein, mich zu schützen und zu kontrollieren.
auch mein kleiner Bruder lernt jetzt seinen eigenen Weg zu gehen.
und ja, es bricht mir mein Herz und bringt mich zu weinen, je mehr ich merke, dass er nicht mehr der ist, der vor einem Jahr noch vor mir stand und dass wir uns auch auseinander entwickeln, doch ist das nicht gut für ihn? Dass er jetzt viel freiere Entscheidungen trifft und erwachsen wird mit all den Fehlern, die man begehen muss und all diesen verzwickten wegen, die er gehen muss?
ich träume davon, dass wir in einigen Monaten noch engeren Kontakt haben, auch wenn wir dann nicht mehr in einer Stadt leben. auch wenn uns einige Kilometer und Stunden voneinander trennen.
ja, das alles mach mir so große Angst, dass ich mich manchmal frage, ob ich das wirklich schaffen kann.
mein Therapeut sagte mir, dass ich die erste in der Familie´bin, die diesen Weg gehen wird ohne wieder kehrt zu machen und zurück in deine Arme zu laufen.
Ich verurteile meine große Schwester für diesen Schritt absolut nicht, Hätte ich in dem letzten Jahr schon angefangen zu studieren mit dem Umzug und der Trennung von dir und der gesamten Familie... ich wüsste nicht, wie mein Studium gelaufen wäre. ob ich nicht auch alles hingeschmissen hätte.
es war gut, dass ich in der Zeit wenigsten beruflich auf dem einfach Weg war und "nur einen Firmenjob" hatte, der mir finanzielle Sicherheit gab und immer noch gibt. es war einfacher, dass meine Arbeit so simpel war, sodass ich nicht auch dort überfordert und gestresst wurde.

ich träume davon, dass wir wieder eine Familie werden. eine ganz andere Art von türkischer Familie. aber anders heißt nicht schlechter und ich wünsche mir so sehr, dass du das auch irgendwann so sehen kannst.

ich liebe dich so sehr. und ich vermisse dich
deine Tochter, H